Wie viel Harmonisierung – Wie viel Föderalismus ist gesund?
Obwohl für die kantonalen Erziehungsdirekorinnen und –direktoren die Harmonisierung unserer kantonalen Bildungssysteme eines der wichtigsten Anliegen ist, ist eine Umsetzung schwierig und langwierig, da es dazu immer wieder Gesetzesänderungen und damit auch Volksabstimmungen braucht. S&E unterstützt den Weg zu einer stärkeren Harmonisierung der Volksschule.
Wir stellen fest, dass in den letzten zwanzig Jahren die Bemühungen stark zugenommen haben, die kantonalen Schulsysteme zu harmonisieren. Die kantonalen Erziehungsdirektorinnen und –direktoren haben die Harmoni-sierung der Volksschule zu ihrem wichtigsten Anliegen gemacht. Sie stützen sich dabei auf den Bildungsartikel, welcher 2006 bei der Volksabstimmung von einer grossen Mehrheit der Stimmenden angenommen wurde. Trotzdem stösst die Umsetzung einer Harmonisierung in den Kantonen auf Wiederstand. Solcher Wiederstand ist nicht neu und hat vielfältige Gründe. Zwei Hinweise sollen an dieser Stelle genügen: Erstens: In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben die Kantone begonnen, ihre Bildungssystem autonom aufzubauen und Zweitens: Bildung wurde als Teil der regionalen Kultur verstanden. Doch schon zwischen 1880-1890 können wir ein erstes Abrücken vom strikten Bildungsföderalismus feststellen – so mussten die Kantone laut Bundesverfassung von 1874 (Art. 27) dafür sorgen, dass die Kinder in öffentlichen Schulen genügend obligatorischen Unterricht besuchen konnten. Ausführungsbestimmungen zu dem Verfassungsartikel scheiterten 1882 in einer Volksabstimmung.
Insbesondere wegen der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung geriet in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts der Schulföderalismus verstärkt in die Kritik. Trotz des ersten Schulkonkordates von 1970, in welchem u.a. der Schuljahresbeginn gemeinsam geregelt werden sollte, gelang die
Vereinheitlichung des Schuljahresbeginnes nicht. Die beiden grossen deutsch Schweizer Kantone Zürich und Bern lehnten in Volksabstimmungen die Verlegung des Schuljahresbeginns auf den Spätsommer ab. Erst nach der Annahme einer eidgenössischen Volksinitiative 1985 wurde der Schuljahresbeginn vereinheitlicht. Trotz Widerständen unterstützen wir den Weg zu einer stärkeren Harmonisierung der Volksschule in der Schweiz. Dafür spricht nicht nur die Mobilität der Bevölkerung und Internationalisierung der Bildungspolitik (internationale Anerkennung von Diplomen, weltweite Mobilität der Arbeitskräfte), sondern ebenso wichtig scheint uns, dass die politischen Räume der Kantone immer weniger den wirtschaftlichen und kulturellen Funktionsräumen entsprechen. Die Kantonsräume verlieren an Bedeutung. Kleinere und mittlere Kantone stossen schon heute bei den vielfältigen Reformen an Grenzen; z. B. Aufwand für Lehrplan- und Lehrmittel Reformen. Projekte, die oft die Kapazitäten von Kantonen überschreiten. In diesem Zusammenhang ist uns wichtig, dass mit der Entwicklung sprachregionaler Lehrpläne der sprachlichen Vielfalt der Schweiz Rechnung getragen wird.
In der Bundesverfassung steht, „Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz.“ Mit zahlreichen Konkordaten, welche die EDK in den letzten Jahren erarbeitet und zuhanden der Kantone verabschiedet hat, soll der Bildungsraum Schweiz realisiert werden. Jedes einzelne Konkordat löst in den Kantonen einen Beitrittsprozess aus (parlamentarische Beratung, evtl. Volksabstimmung). Wichtig für Eltern ist dabei, dass Beitrittsprozesse zu den einzelnen Konkordaten nicht verzögert werden. Ein Beitritt zu einem bestimmten Konkordat ist (gegenüber einem Nein) vorzuziehen.